Nach dem das Jahr 2016 aus familiären zeitlichen Gründen nahezu ohne Radevents und insbesondere ohne echtes Saisonhighlight auskommen musste, war Ende Herbst 2016 bereits klar, dass sich dies im kommenden Jahr wieder ändern musste. Den Ötztaler Radmarathon hatte ich aufgrund der Startplatzunsicherheit und der bereits zwei erfolgreichen Teilnahmen verworfen, so kam der Tipp von Vereinskamerad Dirk Gütte gerade richtig, dass mit dem „La Marmotte Pyrénées“ eine weitere Ausgabe des berühmten Granfondos etabliert wurde. Nach kurzem Check der Lage, war also bereits im November 2016 klar, dass uns der diesjährige Sommerurlaub nach Frankreich bringen würde und am Tag der Einschreibung stand ich bereits fix auf der Starterliste.

Nach einer Woche an der Atlantikküste ging es dann am 20. August ins malerische Luz-Saint Sauveur am Fuße des berühmten Col du Tourmalets. Für mich persönlich ging ein kleiner Kindheitstraum in Erfüllung, schließlich fieberte ich schon in den 90ern mit, wenn sich Fahrer wir Ulrich, Pantani und Co. die berüchtigten Pässe der Pyrenäen hochk(r)ämpften.

Bereits am Tag nach der Ankunft klingelte früh der Wecker, schließlich lautete das Motto „Familienurlaub“ und „Raderlebnis“ stressfrei unter einen Hut bekommen. Meine erste Tour führte mich auf den Hausberg, der kein geringerer als „Luz Ardiden“ war – siebenfacher Ankunftsort der Tour de France, gute 1.000 Höhenmeter verteilt auf 13 Kilometer Gesamtanstieg, das bedeuteten im Mittel 8%. Die Fahrt verlief richtig gut, da die Steigung nahezu gleichmäßig verteilt war und ich gut zu meinen Rhythmus fand. Des Weiteren war es aufgrund der frühen Uhrzeit menschenleer, so dass mich nach einer knappen Stunde Fahrzeit ein paar Murmeltiere auf der Passhöhe bzw. der finalen Skistation erwarteten.

Zwei Tage später stand die nächste Tour auf dem Wunschzettel. Gewitterbedingt startete ich eine Stunde später als geplant meine Fahrt talwärts Richtung Argèles-Gazost, um von dort über den Col du Soulor (1474 m) zum mythischen Col d´Aubisque (1709 m) zu gelangen. Nach einem kleinen witterungsbedingten Ausrutscher versicherte ich mich bei vorbeifahrenden Radlern nochmal nach dem Wetter, da ich ein weiteres Gewitter auf Passhöhe vermeiden wollte. In der Tat wurde in diesem Tal der Pyrenäen das Wetter von Minute zu Minute besser, so dass die Auffahrt zum Col du Soulor ein echtes Highlight wurde. Zu dem lernte ich mit Daniel einen super freundlichen und ebenfalls radsportbegeisterten Mitstreiter aus der Nähe von Manchester kennen. Wir tauschten uns ein wenig aus und folgen uns seit dem auf Strava . Als absolutes Streckenhighlight wurde auf quaeldich.de das Verbindungsstück zwischen Col du Soulor und dem Tagesziel Col d´Aubisque angepriesen. Im Nachhinein kann ich dies nur bestätigen, so dass ich die gleiche Strecke für den Rückweg nochmals wählte. Unter dem Strich zog sich die Tour bis in die frühen Mittagsstunden, so dass letztendlich knapp 100 Kilometern mit geschätzten 2500 Höhenmetern auf dem Papier standen. Die Fahrt hatte sich wirklich gelohnt, so dass der Rest des Tages mit einem breiten Grinsen fortgeführt wurde.

Die folgenden Tage vergingen zwar wie im Flug, aber die Aufregung und Anspannung stieg insbesondere am Samstag ins Unermessliche. Schließlich verbrachte ich den Abend mit einem Materialcheck und einer durchaus positiven Analyse der Wetterberichte.

Look La Marmotte Granfondo Pyrénées

Sonntag, 27.08.2017. Mainevent. Viele Trainingskilometer und Höhenmeter waren absolviert. Gegen kurz nach 7 Uhr erreichte ich nach fünf Minuten Talfahrt mit meinem Wilier Izoard den „Place du 8. Mai“. Bei angenehmen 18°C versammelten sich dort die insgesamt knapp 2.000 Starter, unter ihnen der mehrfache Tour de France Gewinner Miguel Indurain, um eine wahre „Monsteraufgabe“ zu bewältigen. Der Streckenverlauf verlief über insgesamt 168 Kilometer und versprach 5500 Höhenmeter über fünf Pyrenäenpässe. Darunter drei Pässe der höchsten Kategorie. In diesem Jahr hatte man sich für eine Zielankunft im etwa 25 Kilometer entfernten Hautacam entschieden, dazu aber später mehr… Um 7.30 ertönte der Startschuss und bei ACDC´s Hells Bells verließen wir den Startort Luz-Saint Sauveur. Unter den vielen Spaniern und Franzosen, bestätigte sich schnell der Eindruck der letzten Tage, dass unfassbar viele Fahrer aus den Niederlanden und aus Belgien den weiten Weg auf sich genommen hatten. Nach einer kleinen fünf Kilometer langen Warmup Runde um den Ort, ging es mit mehr oder weniger kalten Muskeln direkt am „Kilometer Null“ des Col du Tourmalets vorbei. 18,5 Kilometer Auffahrt mit 7,7% Durchschnittsteigung stellten für die nächsten eineinhalb Stunden das Aufwärmprogramm des Tages dar. Die ersten neun Kilometer hatte ich bereits am Tag zuvor beschnuppert und so konnten mich die fiesen Steilstücke um und durch Barèges nicht mehr schocken. Die Geschwindigkeit blieb durch die Bank weg im zweistelligen Bereich und so erreichte ich um 09:28 zum ersten Mal das Dach der Tour auf einer Höhe von 2115m. Nach flottem Befüllen der Trinkflaschen stürzte ich mich schnell in die Abfahrt. Im Gegensatz zum Ötztaler Radmarathon sei hier erwähnt, dass die komplette Strecke nicht für den Autoverkehr gesperrt war. Somit teilte man sich auch zu dieser Uhrzeit die Straße mit den teils privaten Verpflegungskonvois sowie sonstigen Touristen und Einheimischen, was aber aufgrund von gegenseitiger Rücksichtnahme über den gesamten Tagesverlauf unproblematisch verlief.

Weiter ging es nun auf der „Route historique de Tour de France depuis 1910“ und nach einem kurzzeitigen welligen Profil zweigte die Strecke zur zweiten Bergankunft des Tages ab. Der „Hourquette d´Ancizan“ stand mit seiner durchaus leichteren  Nordwestauffahrt auf dem Programm. Die 10,4 Kilometer lange Auffahrt von Payolle auf 1564m nutzte ich ein wenig, um mich von den Strapazen und dem doch recht hohen Anfangstempo hinauf zum Tourmalet zu erholen. 414 Höhenmeter waren an diesem Pass zu erklimmen, wobei ein kleiner Gegenanstieg einem das Leben etwas schwerer machte. Landschaftlich klasse und mit Eseln besiedelte Straßen rundeten hier ein tolles Bild ab. Die Abfahrt hatte es in sich und erinnerte an einigen Stellen an die Strecke der diesjährigen Tour de France, auf der der Australier Richie Porte gestürzt war. Somit war erhöhte Vorsicht geboten und daran hielten sich alle Fahrer vorbildlich. Im Tal angekommen ging es ohne jegliche Verschnaufpause in den nächsten Anstieg. Der „Col d´Aspin“ stand auf dem Programm. Die 12 Kilometer Auffahrt von Arreau bis auf 1490m Höhe mit einer Durchschnittssteigung von  6,5% war wieder deutlich anspruchsvoller als im Vergleich zu den 4,4% am „Hourquette d´Ancizan“. Dennoch verlief die Zeit wie im Flug. Aufgrund des fast homogenen Anstiegs fand ich zu einem perfekten Rhythmus, quatschte zwischendurch noch ein wenig mit einer der ganz wenigen deutschen Teilnehmerinnen und erreichte um 12:23 das Passschild. Die Abfahrt nach Ste. Marie-de-Campan war zwar 13 Kilometer lang, allerdings beschränkte sich der „geschenkte“ steilere Teil auf maximal die Hälfte der Strecke, so dass mir die Zeit der Erholung bis zum zweiten „Tourmalet“ extrem kurz vorkam. In der Zwischenzeit setzte ein leichter Nieselregen ein, der in Bezug auf das anstehende Höhenprofil eine leicht erfrischende Wirkung zeigte. Von Ste. Marie winkte der „Col du Tourmalet“ mit seinen diesmal 16,5 Kilometern und 1365 zu absolvierenden Höhenmetern. Im Vergleich zur Westauffahrt waren dies etwas kürzere, aber in Bezug auf die Steilheit nahezu identische Werte. Die erste Hälfte verlief gut. Mit Geschwindigkeiten zwischen 10 und 13 km/h ging es gut voran, der Regen hatte sich wieder eine Auszeit gegönnt und Richtung Passhöhe war der Himmel blau. Die Vorfreude auf eine trockene Abfahrt stieg an. Im Verlauf der letzten sieben Kilometer setzen allerdings erste Ermüdungserscheinungen hinsichtlich des Kreislaufes ein. Mein Puls lag deutlich über 175 Schlägen und die Steigungen verließen nicht mehr die Region zwischen 8 und 10%. Vier Kilometer vor der Passhöhe gönnte ich mir eine erste ein minütige Verschnaufpause, welche zwei Kilometer vor der Passhöhe von einer zweiten gefolgt wurde. Die Geschwindigkeiten lagen nun erstmalig nur noch im einstelligen Bereich und die Strecke verlief wie in Zeitlupe. Um ziemlich genau 14:30 war ein Großteil geschafft. Der „Col du Tourmalet“ war ein zweites Mal bezwungen und der Radcomputer zeigte die unglaublichen Werte von 4100 (!!!) Höhenmetern auf den ersten 115 Kilometern an. Die Beine fühlten sich halbwegs okay an, jedoch merkte ich schon, dass das Herz-Kreislauf-System in diesen sieben Stunden schon einiges bewerkstelligt hatte.

Über Luz Saint Sauveur folgte dann eine knapp 30 Kilometer lange Abfahrt nach Beaucens. Weit über drei Stunden vor dem dortigen Zeitlimit fuhr ich über die Markierung zum letzten Anstieg des Tages. Der Auffahrt zur Skistation „Hautacam“. Die gute Nachricht: „Nur noch ein Anstieg, dann bin ich im Ziel“ – die schlechte Nachricht „Mit 13 Kilometern Länge und 8% Durchschnitt ist dies der steilste Anstieg des Tages“. Die ersten drei Kilometer verliefen recht human und der Körper zeigte sich wieder leicht erholt. Dies änderte sich ab der Kilometer 10 Marke jedoch drastisch. Für jede etwas flachere Passage kam ein mindestens 10-13% Knüppel aus dem Sack. Bei mittlerweile 4500 Höhenmetern in den Beinen tat dies richtig weh und es machten sich aufgrund des persönlich recht hohen Tempos in Kombination mit sehr kurzen und wenigen Pausen auch die ersten Ansätze von Krämpfen bemerkbar. Einzig und allein die Gesichter und das Tempo der umliegenden Mitstreiter pushten zu dieser Zeit des Rennens die Motivation ein wenig nach oben. 8 Kilometer vor dem Ziel entschied ich mich dann für eine „neue Rennstrategie“ um das Ziel irgendwie halbwegs lebend zu erreichen. Anhalten, Trinken, eine Minuten durchatmen und weiter fahren. Dies machte ich dann bei jeder Kilometermarke. Eine Zeit unter neun Stunden hatte ich abgehackt und alles andere schien mir zu diesem Zeitpunkt egal zu sein. Die Strategie ging auf. Durch diese kurzen Erholungsphasen fuhr ich immerhin wieder Geschwindigkeiten mit denen ich einige, vorher vorbeifahrende Mitstreiter wieder überholen konnte. Sehr lange hielt dies leider nicht an. 2,5 Kilometer vor dem Ziel wurden die Krämpfe stärker und der Körper schwächer. Es ging kaum noch was – hätte man mir vorher gesagt, dass ich bei einer Übersetzung von 34-30 jemals eine Trittfrequenz von unter 60 treten würde, so hätte ich vermutlich laut gelacht. Zwei Kilometer vor dem Ziel dann eine persönliche Premiere. Ich stieg ab und entschied mich für die nächsten 800 Meter das Rad im Laufschritt zu schieben. Die Geschwindigkeit was nur geringfügig langsamer als bei der vorherigen Fahrt und zumindest wurden nun etwas andere Muskeln beansprucht. Dann kam das erlösende Schild „Arrivée 1km“: ab auf den Sattel und die letzten Kehren fahren. Das ging plötzlich wieder mit Geschwindigkeiten im zweistelligen Bereich. Beim Überqueren einer recht unspektakulären Ziellinie erfolgte der nächsten Wadenkrampf, bei dem ich das Pedal nicht mehr umkurbeln konnte. Das war an dieser Stelle egal. Der Pyrenäen La Marmotte war geschafft. 168 Kilometer mit „echten“ 5250 Höhenmetern waren absolviert. Meine Finisherzeit von 9:26:44 reichte „nur“ noch zur Silbermedaille und brachte mich auf Platz 591. Bei knapp 2.000 Teilnehmern und „nur“ 1.172 Finishern war ich mit dieser Platzierung allerdings mehr als glücklich. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der spanische Sieger Martin Sergio Gonzalez mit 6:27:52 „nur“ etwas weniger als drei Stunden vor mir im Ziel war, machte mich ebenfalls stolz. Altchampion Miguel Indurain brachte es im Übrigen auf 7:49:40.

Damit war das 2017er Saisonfinale beendet. Es war hart, es war toll und die Pyrenäen werden für immer in meiner Erinnerung bleiben. 

Den Look La Marmotte Pyrénées würde ich jedem blind weiterempfehlen, der sich vor einer langen (ca. 1.400km) Autofahrt nicht scheut und eine sportliche „Höhenmeter Herausforderung“ sucht. Im Vergleich zum Ötztaler Radmarathon war das gesamte Event kleiner, familiärer und weniger kommerziell aufgebaut. Wie lange dies noch so bleibt, kann man schlecht sagen. 

Die Versorgung auf der gesamten Strecke war super, die komplette Sportlernahrung kam aus dem Hause Etixx und war super verträglich. Für alle Finisher gab es eine Cap, was bei 70€ Teilnahmegebühr (inkl. 10€ Etixx Package) vollkommen okay war. Wer dann ein zusätzliches Trikot kaufen wollte, der konnte dies für 50€ erwerben, so dass der hieraus resultierende Endpreis immer noch deutlich unter dem von anderen Alpenmarathons lag.

 

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