Wir schreiben das Jahr 2016, bereits seit November 2015 stand ich auf der restlos ausverkauften Starterliste für die Jedermann Veranstaltung der Flandernrundfahrt, welche einen Tag vor der 100. Austragung des Profirennens stattfinden sollte. Viele Trainingskilometer bei kaltnassen Januar und Februar Bedingungen wurden absolviert und nicht zuletzt hatte ich mir mit meinem neuen BMC Granfondo einen wahren Frühjahrsklassiker Boliden aufgebaut. Des Weiteren war aus familiären zeitlichen Gründen bereits früh im Jahr klar, dass die Frühjahrsklassiker die einzigen Highlights der Radsaison darstellen würden. Wenige Tage vor dem großen Tag kam über Nacht der „Hammer“ - Diagnose Virusinfekt. Völlige Leere und groß Enttäuschung, aber selbst an eine lockere und flache 50km Runde war nicht zu denken.

Ein Jahr später sollte nun alles anders werden. Erneut standen wir als Frühbucher auf der Starterliste und hatten uns sogar eine B&B Unterkunft in der Nähe von Oudenaarde gegönnt. Nur wenige Tage nach meiner Rückkehr aus dem Trainingslager, fuhren wir Freitagnachmittags zu dritt Richtung Ostflandern. Nach einem ordentlichen Pasta-All-U-Can Essen am Vorabend klingelte der Wecker pünktlich um 6 Uhr. Der vom Wirt versprochene und angekündigte Nieselregen begleitete uns zum Start. Wind, Regen und Pflastersteine – die drei Merkmale dieses belgischen Radsportmonuments sollten zumindest für die erste Stunde unser Begleiter sein. Auf dem Programm standen insgesamt 143 Kilometer gespickt mit über fünfzehn bekannten „Hellingen“ (dt.: Anstiege) und etlichen flachen Kopfsteinpflasterpassagen mit bis zu drei Kilometer Länge.

Startort war der Kubus in Oudenaarde, so dass uns ein Rücktransfer per Bus (nur auf der Langdistanz) erspart blieb. Bereits um die Uhrzeit war klar, dass uns dieses Event mit 16.000 Teilnehmern aus 56 verschiedenen Nationen ein richtiges Radsportfest auf die Strecke zaubern sollte. Wohin man auch schaute, waren Radfahrer aus allen Ländern Europas, insbesondere aus dem Vereinigten Königreich zu sehen. Es dauerte auch keine zehn Kilometer bis mit dem Wolvenberg, der erste namhafte Anstieg zu erklimmen war. Verteilt auf gerade einmal 700m, aber mit einer maximalen Steigung von 17,3% war man spätestens zu diesem Zeitpunkt hellwach. Bis zur ersten Verpflegungsstation bei Kilometer 30 folgten nur wenige Höhenmeter, aber umso mehr richtig fiese Kopfsteinpflasterpassagen - Ruiterstraat, Kerkgate und die 2,3km lange Paddestraat sorgten bereits zu diesem Zeitpunkt für eine leicht genervte Stimmung auf dem Rad und für viele verlorene Utensilien abseits der Straße. Nach der obligatorischen belgischen Verpflegung (Honigkuchen, Honig, Karamellwaffeln, Bananen und Orangen und süffigem Decathlon Isogetränk) folgte eine ganze Reihe von heftigen Anstiegen, welche zum einen Teil auf Asphalt und zum anderen Teil auf Kopfsteinpflaster gemeistert werden mussten – Leberg, Berendries, Ten Bosse, Valkenberg und Eikenberg waren die namhaftesten in dieser Reihe. Erneut folgte eine Kontrolle nach circa 80 Kilometern bevor das erste Highlight winkte – der legendäre Koppenberg. Lediglich 500m lang, allerdings mit einer Durchschnittssteigung von 9,4% und 22% an der steilsten Stelle auf feucht moosigem Kopfsteinpflaster die absolute Herausforderung. Hier kämpften bereits Legenden wie Eddy Merckx gegen ein Absteigen und Schieben. Mit richtigem Dampf und voller Elan fuhr ich also in diesen Scharfrichter hinein und sah von weitem schon das Pilgervolk. An der steilsten Stelle stand mittig zum Weg (Straße kann man das nicht nennen) ein großes BMW Motorrad und versperrte den Weg. Links und rechts schoben notgedrungen Fahrer verschiedener Leistungs- und Gewichtsklassen ihre Räder hinauf. Um also einem Umkippen im dichten Gedränge entgegen zu wirken, klickte ich ebenfalls aus und schob die letzten 150m das Rad hinauf. Sehr ärgerlich. Mehrere kleinere Anstiege passierte man im weiteren Streckenverlauf zu denen auch der unangenehme Taaienberg und der Kanarieberg zählten. Im Vergleich zu deren Vorgängern konnte man hier auf schmale Rinnen abseits des Kopfsteinpflasters ausweichen, insofern einem die „Schildkröten“ den notwendigen Platz ließen. Die letzte Kontrolle erfolgte nach 108 Kilometern. Die Beine waren noch mehr als frisch, der Rücken und vor allen Dingen die Arme und Hände meldeten sich aufgrund des „kultigen“ Untergrunds allerdings mit den ersten Schmerzen. Es folgten zunächst drei kurze und nicht allzu steile Anstiege, bevor mit dem Oude Kwaremont der vorletzte und auch längste (2,2km) Anstieg des Tages auf dem Programm stand. Für Peter Sagan sollte dieser Anstieg am darauf folgenden Tag fatale Folgen für den Rennausgang haben. Ich fuhr den Anstieg relativ flott und locker hoch, da mit einer Durchschnittssteigung von gerade einmal 4% die Brisanz wieder einmal am schlechten Untergrund lag. Rinnen zum Ausweichen gab es nicht viele, Zuschauerbarrieren hingegen schon sehr viele, so dass man enorm aufpassen musste. Mit viel Tempo ging es von dort zum letzten Scharfrichter und Highlight des Tages – dem Paterberg. Ebenfalls nur 400m lang, allerdings mit einer Durchschnittssteigung von 12,9%, historisch gepflegtem Kopfsteinpflaster und einer steilsten Stelle von 20,3% gab es nur einen Gedanken: hier schiebst Du nicht! Im unteren Bereich hatte der Veranstalter wie an so vielen Stellen Schilder auf gehangen, auf denen rechts eine Schildkröte und links ein Hase dargestellt war. Nach circa 200m im Anstieg und heftigsten „Cobbles“ winkte die steilste Stelle. Leider hatten auch hier, wie so oft an diesem Tage die meisten Fahrer das Hinweisschild übersehen. So fuhr ich zick zack an den meisten „Schiebern und Langsamfahrern“ vorbei. Plötzlich zog ein Fahrer rüber in meine linke „Hasen“ Spur. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, stütze mich mit einer Hand so gerade noch an einem Absperrgitter ab und rief „Turtles on the right“. Neben der Strecke brach Gelächter aus und zum Glück zog der Fahrer wieder auf seine Spur rüber. So konnte ich den Paterberg, wenn auch mit viel Adrenalin und richtig Puls bis oben durchziehen. Die Höhenmeter waren absolviert.

Kurz danach überholte mich eine flotte Gruppe von fünf Fahrern. Ich nutzte die Gelegenheit und hängte mich in den Windschatten. Mit viel Konzentration, aber gemäßigtem Herzschlag ging es dann mit Tempo 40+ die letzten 14 Kilometer zurück nach Oudenaarde. Völlig eingesaut und ziemlich durchgerüttelt überfuhr ich nach 5 Stunden und 23 Minuten Nettofahrzeit die offizielle Ziellinie und wartete dort auf meine beiden Mitstreiter.

Nach Lüttich-Bastogne-Lüttich habe ich mit der Ronde van Vlaanderen das zweite von insgesamt fünf Radsportmonumenten abgeschlossen. Aber auch nach 14 Tagen Abstand steht trotz hervorragender Organisation, Verpflegung und Streckenausschilderung fest: ein Wiederholungstäter werde ich nicht. Denn auch wenn ich an diesem Tag im Vergleich zu über 100 (!!!) flickenden Fahrern abseits der Strecke Glück hatte, nochmal mute ich das meinem Material nicht zu. Einmal Vlaanderen reicht!

 

Jörg Pferdmenges

 

Vor der ersten gemeinsamen RTF des Jahres konnte man die Vorfreude in unserer WhatsApp-Gruppe "ERC Training Race/Sport" förmlich spüren. Pünktlich zum Saisonauftakt hat sich endlich auch das Wetter mal wieder in Lycra gezwängt und etwas Sonne springen lassen. Leider mehr Sonne als Celsius, aber das war nicht weiter tragisch, da gerade zum Saisonstart vermutlich jeder größere Verein von einem heterogenem Trainingsstand geziert wird. Beine waren also - egal ob trainiert oder kuschelhart - zu den 6 Grad um 9:30 Uhr unter Kunstfaser verborgen. Die Arme ebenfalls und ich habe auch meine Finger und Schuhe nochmal zusätzlich gegen die kühlen Sonnenstrahlen geschützt.

Um 9:30 Uhr ging es also nach kurzer Ansprache von unserem Chef Bernd Rohmen mit unserem Rot-Schwarzen Tross ERC'ler geschlossen vom Erkelenzer Burgplatz auf die schöne Runde des RSC-Schwalmtal 1987 e.V. Die Route des RSC führte praktischerweise durch unser unmittelbares Hinterland sodass wir schon nach wenigen Kilometern bequem der guten Beschilderung folgen konnten. Das Tempo war - zumindest zum Auftakt - knackig und eine kleine Gruppe beschloss recht früh den Tunnelblick gegen erfrischendere Aussichten zu tauschen und ihr eigenes Tempo zu fahren, während der Großteil der anfänglich rund 30 Radsportler sich noch keine Saisonstart-Schwäche eingestanden. Spätestens nach dem ersten Drittel der 3-Punktefahrt war die Nummer aber durch. Peter musste kurz nach der RTF noch irgendwas fliesen und Mirko wie auch Florian hatten höchsten einen Outdoorsaisonstart. (Ich hoffe ich habe niemanden aus der schnellen Truppe unterschlagen.) Sie fuhren ihr Tempo vorne weg und unser großes Hauptfeld fuhr einen zügigen 31er Schnitt weiter.

Über die Streckenabschnitte gibt es nicht viel erwähnenswertes zu sagen. Sie sind halt recht bekannt. Einige Streckenabschnitte waren etwas holprig und wären besser über die Straße geführt worden als durch "den Acker" aber das ist bei den wenigen Stellen noch gut zu verzeihen. Die letzte Ecke der Streckenführung wurde dann von einigen, darunter auch mir, leicht begradigt und die krumme Kilometerzahl auf eigene Faust geglättet.

Spaß hat es gemacht. Lust auf Mehr und einen Schub an Motivation für das in Kürze wieder startende Training und die Rennsaison. Danke, RSC-Schwalmtal für die gelungene RTF. Danke an den tollen Verein und auf ein großartiges 2017.

Einzig, einer hätte dem Tag noch ein Sahnehäubchen mehr aufsetzen können und das wäre Alex gewesen. Aber er ist im Spezial-Trainingslager und wird erst später im Jahr wieder den "Kuchenfrauen" sagen was eine gute Frisur ist.

Bleib dran!

Ja, wieso denn schon wieder das Erste? Das war doch in Wegberg!

- Stimmt! Aber Wegberg war ein Rundstreckenrennen auf einem 2,2km langen Rundkurs. Wegberg war zudem auch ein Lizenzrennen und wurde somit in einem sehr (sehr sehr sehr) viel engeren Kreis ausgefahren.

Mein erstes "großes" Rennen sollte eh Köln sein. Wegberg ist ja eher so dazwischen gekommen, denn zu Köln habe ich bereits kurz nach Anmeldeeröffnung den Entschluss gefasst mitzufahren. "Rund um Köln" ist ein sogenanntes Jedermannrennen. Soweit ich als Radsportanfänger das richtig aus allen verschiedenen Lagern auffassen durfte, sind Jedermannrennen bei den Lizenzsportlern nicht ganz so hoch im Kurs, werden aber dennoch von ihnen Besucht. Man sagt, Jedermannrennen sind gefährlicher, da jeder mit einem Rad dort mitfahren darf. Verstand ist nicht vorausgesetzt. Dem möchte ich so nicht unbedingt beipflichten, denn auch wenn ich nach dem Start mit einigen "Fahrmanövern" von besonders "rücksichtsvollen" Fahrern zu kämpfen hatte, so glaube ich eher, dass diese schiere Masse an Startern ein größeres Problem bzw. eine höhere Gefahrenquelle darstellt als simpel zu sagen: Die haben keine Lizenz, die können nicht Radfahren. Aber das nur am Rande.

Daten
Strecke 68,5km
Profil 466hm
Zeit 1:40:27
km/h Schnitt 40,92 km/h
Platzierung (Gesamt) 22 von 2145
Platzierung (Altersklasse) 9 von 451

Für mich war es das erste "Nicht-Kriterium", also das erste Straßenrennen auf einer vollgesperrten Strecke. In Köln.

Meine Vorbereitung auf das Rennen bestand im Grunde lediglich daraus, mich am Vortag nicht zu überfressen, 70km bequemes Radfahren zum lockern der Muskulatur und dem Radfahr-Gott ganz generell für das gute Wetter zu huldigen, so wie auch das Rad nach Austausch meines Lenkers und Vorbau auf seine nackte Funktion zu checken. ...und natürlich sportliche Enthaltsamkeit beim Thema Alkohol. Das mit dem ausreichend Schlaf schaffe ich dieses Leben eh nicht mehr. Jede Minute mehr als 5 Stunden pro Nacht sind Bonus und somit wurde ich am 12. Juni auch um 7 Uhr mit komfortablen 5 Stunden Nachruhe wieder wach. Die letzte Stunde Schlaf raubte mir die zweite Wiederholung des Rennens vom Vorjahr aus der Sicht des Lenkervorbau. Danke Maurice Kok, für das Youtube-Video.

Weiterlesen ...

802 km und 4500 Höhenmeter sind es letztendlich geworden, um von Pontorson in der französischen Normandie auf dem Rennrad nonstop bis nach Wassenberg in den beschaulichen Kreis Heinsberg zu radeln. Oder besser gesagt……37 ½ Stunden den Allerwertesten mit nur wenigen verpflegungstechnisch notwendigen Pausen auf einem Rennradsattel plattsitzen! Wer so einen Blödsinn gemacht hat? Ja wiedermal ich!!! :-)

Aber erst einmal zum Anfang:  Im schönen Wassenberg nahe Heinsberg aufgewachsen habe ich schon in der Schulzeit im Rahmen eines Schüleraustauschs recht früh die Städtepartnerschaft Wassenberg-Pontorson kennengelernt. Leider haben wir bei dem besagten Austausch in der Frühpubertät jeden weiblichen, französischen Kontakt gepflegt nur eben nicht die Sprache. Daher ist mein Französisch sagen wir mal diplomatisch „rudimentär“ geblieben. Der Städtepartnerschaft blieb ich aber weiter verbunden, sodass ich auf einige Besuche auch im Erwachsenenalter nach dorthin zurückschauen kann.

Wer die Stadt Pontorson nun auf der Karte suchen möchte, wird sie genau an der Grenze der Normandie zur Bretagne, nahe der Atlantikküste finden. Die weltberühmte Abtei „Mont Saint Michel“, welche im Watt auf einer Insel liegt und bei Flut von Wasser umspült wird, liegt 9 km entfernt und ist Teil der Stadt Pontorson. Das etwas bekanntere Paris befindet sich 312 km nordöstlich der Stadt.

Mont Saint Michel und der nicht ganz korrekte Wegweiser in Pontorson nach Wassenberg

Die kürzeste Distanz zwischen beiden Städten beträgt 755 Kilometer. Vor 7-8 Jahren hat mir irgendein greiser Gallier in einem Gespräch erzählt, dass er die Strecke in den 70ern mal mit seinem Rennrad in einer Rekordzeit von 40 Stunden gefahren ist. Bei meinen Französischkenntnissen kann es auch sein, dass er von 755 Litern Rotweinkonsum im Jahr und 40 Tagen Entzugsklinik sprach. Aber wer nimmt das schon so genau;)))

Jedenfalls war mein Traum geboren, diese Strecke auch einmal mit dem Rennrad zu fahren und dabei die Rekordmarke des Asterix zu unterbieten. Natürlich ohne jeglichen Zaubertrank.

Nach 10.000 Trainingskilometern im letzten Jahr, harten Langstreckeneinheiten im Winter bei eiskalten 20 Grad Celsius und einem überwundenen Außenbandtrauma beim Polizeieinsatztraining im März diesen Jahres, sollte es nach zwei Terminverschiebungen nun Anfang September 2016 endlich losgehen.

Nachdem ich 2011 schon einmal ohne Begleitfahrzeug wegen mehrerer Radpannen und übelstem Wetter an dem Vorhaben gescheitert war, wollte ich diesmal nur unter Inanspruchnahme eines Servicewagens starten. Mein Bruder Lars und dessen Lebensgefährtin Ellen übernahmen dankenswerterweise diesen Part.

Um kein Verkehrschaos im filigranen oder plumper gesagt übersichtlichen Straßennetz Nordfrankreichs ausbrechen zu lassen, sollten die beiden mir auch nicht auf Schritt und Tritt folgen, sondern mich lediglich alle 3-4 Stunden an genau vorgeplanten Treffpunkten mit einem Radfahrerbuffet empfangen.

Meine vorgeplante Strecke von Pontorson nach Wassenberg

Am Samstag den 03. September ging es nun um 6:00 Uhr morgens im Stockdüsteren auf die Piste. Am Rathausplatz in Pontorson verabschiedeten mich in aller Herrgotts Frühe standesgemäß der Bürgermeister und Mitglieder des Vorstandes vom französischen Part der Städtepartnerschaft. Sonniges, warmes Wetter war vorhergesagt. Aber offensichtlich scheinen die französischen Wetterfrösche in die gleiche marode Glaskugel zu schauen wie unsere „treffsicheren“ Deutschen. Dichter Nebel bei frischen Temperaturen erwarteten mich die ersten 3-4 Stunden. Von Sonne nix zu sehen. Zu allem Überfluss hatte ich auch an ALLES gedacht,  an ALLES……bis auf meine Verpflegung für die erste Etappe. Bis zum ersten Treffen mit meinem Sevicewagen in 100 Kilometern fuhr ich also quasi durch eine öde Wüste an kleinen französischen Ortschaften mit verriegelt und verrammelten Bäckereien und Supermärkten vorbei. Halb verdurstet und meinem ersten Hungerast nahe, rollte ich schließlich meinem Bruder in die Arme.

Zwei dicke Sandwichs und mehreren Marsriegeln schwerer und diesmal MIT Proviant dabei, ging es weiter in Richtung Nordosten. Mein erstes Fernziel war die Großstadt ROUEN, welches nach 250 km ziemlich mittig zwischen Paris und Atlantikküste an der Seine platziert ist und seit dem zweiten Weltkrieg ähnlichen Charme versprüht wie Wanne-Eickel oder Bottrop.

Wie die Fahrt dorthin war??? Einfach zum Abgewöhnen. Die Tour stand wahrlich unter keinem guten Stern. Kaum hatte unser besagter Zentralstern die Tagestemperatur auf ein erträgliches Maß von um die 20 Grad gesteigert und sich auch mal am Firmament gezeigt, stellten sich Knieprobleme ein. Diese hielten auch bis ROUEN an. Quasi bis ich merkte, dass mein favorisierter Zweiradladen aus Erkelenz beim Radcheck vor der Tour unbemerkt den Satten verstellt hatte. :-( Nach 250 km wie ein Affe auf dem Schleifstein, durften dann auch mal die 40 Jahre alten Beinbeuger wehtun. Inbus raus, Sattel hoch, Problem behoben!

An der Topographie konnte ich leider nicht schrauben. Wer meint Küstennähe sei gleichzusetzen mit Flachland, darf gerne mal die Normandie aufsuchen. Widerliche 3000 Höhenmeter hatte ich bereits nach 300 km auf dem Tacho. Zum Glück kamen in der leicht hügeligen Picardie und dem tellerflachen Flandern nur noch 1500 hinzu, sonst hätte ich direkt vom Ziel zum „Alex“ (Neusser Psychiatrie) durchfahren können.

Unterwegs in Frankreich

Da ich ja nonstop fuhr, galt es natürlich auch in der Nacht radeln was das Zeug hält! Die Nacht ist mangels optischer Eindrücke schnell erzählt. In Amiens war gegen 0:30 Uhr nach 385 km vermeintlich die Hälfte geschafft. Was dann folgte läßt sich in drei Worten noch schneller erzählen: Regen, Regen, Reeeegen! Es schiffte pausenlos bis zum Sonnenaufgang………und dann…….schiffte es noch etwas weiter.

Ach ja, meine Hauptfrontleuchte fiel natürlich nach 2 Stunden aus und ich durfte den Rest der Nacht mit einer kleinen Funzel fortsetzen und von 5 Rückleuchten überlebte sage und Schreibe EINE! Billigkram aus dem Radladen eben;)

Dank neuester französischer Technik, den 24-Stunden-Automatentankstellen, war ich am Morgen nach 500 km an der belgischen Grenze bei Lille auch wieder mal dem Zusammenbruch nahe. Mein Serviceteam schlummerte, wie geplant, tief und fest in einem Hotel in Amiens während ich eigentlich an vorher genau ausgesuchten 24-Stunden-Tankstellen mit Shops meine Vorräte wieder auffüllen wollte. Eigentlich! Letztlich waren die Shops nachts verrammelt und ich durfte mich von 22:00 Uhr abends bis 8:00 Uhr morgens bei dauernder Bewegung von ganzen 6 Snickers und 1,5 Litern Wasser ernähren. Jedes Mannequin auf Diät bekommt mehr zu essenL

Nach fast 600 km und einem von Lars & Ellen gereichten, opulenten Frühstück in Oudenaarde an der Schelde, ging es jedoch dann endlich zum Endspurt. Zuvor musste ich noch ein Telefongefecht mit meinen Eltern austragen, die mich doch glatt aufgrund der ganzen angefallenen Probleme auf der Strecke und meinem unterernährten Zustand zum Aufgeben überreden wollten……Aufgeben? Läppische 180 km vor der Heimat? Haben die Fieber? Netter Versuch!!!

Kommen wir noch kurz zum Thema „Probleme“. Eigentlich konnte man meine Probleme unter einen Oberbegriff zusammenfassen, nämlich BELGIEN! Belgien war mein Problem. Die Radwege eine Katastrophe, praktisch unbenutzbar! Streckensperrungen, die entweder gar nicht mit Umleitungen ausgeschildert waren oder irgendwo in der flandrischen Polder-Pampa endeten. Ja Danke! Die mit scharfkantigen Betonbruchkanten und zerbrochenen Glasflaschen übersähten Radwege boykottierend wurde ich von Autofahrern mehrfach übel angeschnauzt, beleidigt, angehupt, geschnitten…das volle Programm eben. Aber bei teilweise bis zu 50 Liter Regen pro Quadratmeter, die Mittags Rund um Brüssel und Antwerpen runter kamen, nahm ich das eh gar nicht mehr so wahr. War halt wie im Schwimmbad. Kopf unter Wasser und du hörst dank gefluteter Gehörgänge nix mehrJ Eine Brückensperrung bei Lier nahm ich jedoch dann umso mehr wahr. 20 km Umweg, für ein Auto ein Klacks, können für einen franko-alemannischen Radfahrer mit 650 km in den Beinen schon „Aua machen“. Und zu guter Letzt ereilte mich kurz vor der niederländischen Grenze bei Lommel dann doch der unvermeidbare Plattfuß am Hinterrad. Die 450ste kaputte Glasflasche am Wegesrand hatte ich dann doch leider übersehen. Zum Glück war auch diesmal mein Servicewagen schnell zur Stelle. Mit dem Ersatzrad wurden die letzten 100 km in Angriff genommen.

Mit 33 km/h im Schnitt waren die letzten Hundert dann auch schnell erzählt. Ich wollte nur noch nach Hause zu Frau und Kind und das am besten vor Sonnenuntergang. Und nichts……absolut nichts…..auch keine Kraftfahrstraße, leere Handy- und Navi-Akkus oder ein lächerliches Bächlein wie die Maas konnten mich daran hindern, dem Ziel entgegenzurasen. Um 19:25 Uhr erreichte ich nach 37:25 Stunden Brutto oder etwas über 33 Stunden Netto und 802 statt errechneten 768 Streckenkilometern das Rathaus von Wassenberg!!!!!!!!!!! Karamba!!!!!!!!!!!! Auch dass ich ohne die Probleme locker 3-4 Stunden eher im Ziel hätte sein können, tat meiner Freude keinen Abbruch.

Lia, Katja, Familie, Freunde und ein paar Mitglieder des Wassenberger Partnerschaftskomitees, versüßten mir die Ankunft zudem mit ihrer Anwesenheit.  Viiiiiielen Dank dafür :-) :-) :-) :-) :-)

Ein Lebenstraum ist damit in Erfüllung gegangen. Mehr und länger werde ich im Leben wohl nicht mehr fahren. Mein neues Ziel heißt erst mal Papa sein. Was dann an Zeit noch übrig bleibt wird sich zeigen bzw. das wird Lia mir schon zeigen :-) :-) :-)

Familie Gütte am Wassenberger Rathaus

 

Wer die Strecke mal abfahren möchte:

0 km, n/a

Wo kann ich mich dieses Jahr wieder auspowern oder besser gesagt, was lässt mein linker Knöchel nach einem Bänderriss Ende März wieder zu? Diese Frage stellte ich mir Ende Mai 2016. Kurz überlegt fiel mir doch glatt der kahle, hammerharte Berg in Südfrankreich ein, der mir letztes Jahr schon so gefiel und über den es ein spezielles, Individual-Event gibt, bei dem man sich den Hintern wund strampeln kann :-) Ich meine natürlich den Mont Ventoux.

Blick zum Gipfel des Mont Ventoux
Blick zum Gipfel des Mont Ventoux

Doch erst mal ein wenig Erd- und Sportkunde: Wer die Tour de France kennt, kennt auch den Mont Ventoux! Der 1912 Meter hohe Kalkhaufen steht einsam und alleine mitten in der Provence. Windfangende Nachbarberge? Fehlanzeige! Aufgrund seiner Kalkfelder am Gipfel, die wie ganzjährig liegender Schnee aussehenden, nennt man den von allen Seiten weit sichtbaren Giganten auch „weißer Riese“, wie das Waschpulver. Dank Lavendel rund herum, riecht der auch nach Waschmittel.

Das Ding ist nicht nur imposant und schön anzuschauen, sondern darüber hinaus auch noch ein Mythos des Radsports. Neben L‘Alpe d’Huez  (Skiort) und Col du Galibier (Pass) in den Alpen sowie dem Col du Tourmalet (Pass) in den Pyrenäen gilt er als einer der vier Monumente der Tour de France. Mit 1600 zu bewältigenden Höhenmetern von fast jeder Seite sind die stets im Wind stehenden Serpentinenstraßen da rauf auch eine der schwersten der Rundfahrt und somit quasi ein prädestiniertes Ziel für Radsportbekloppte.

Weiterlesen ...

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.