Wer meint, dass Affenhitze und Rennradfahren nicht zusammenpassen, der hätte mal den französischen Radmarathon LA MARMOTTE 2015 fahren sollen. Diejenigen, die sich das Event dieses Jahr angetan haben, kamen schnell auf den Gedanken „Sport auf dem Mars kann auch nicht schlimmer sein“!

Einer dieser bemitleidenswerten „Marsianer“ war ich!

 

Aber erst mal von vorne: Nach dem erfolgreichen Bestehen des letztjährigen Highlights „Endura-Alpen-Traum“ war ich im Oktober 2014 wieder auf der Suche nach einem hochalpinen Radsport-Event für dessen Teilnahme man nicht 6 Richtig plus Zusatzzahl bei der Ötztaler Lottogesellschaft haben musste. Meine Wahl fiel auf das französische Radrennen LA MARMOTTE (übersetzt: Das Murmeltier), welches am 04. Juli 2015 beim weltberühmten Alpe d’Huez starten und nach der Überquerung der drei nicht minder berühmten Tour-Pässe Glandon, Telegraph und Galibier auch wieder dort enden sollte. 176 km und 5000 Höhenmeter hörten sich sehr interessant und machbar an. Als am Morgen des 01. November um 10:00 Uhr die Online-Anmeldung zum Rennen geöffnet wurde, war ich sofort zur Stelle. Bereits kurz nach Mittag waren alle 7500 Startplätze vergeben.

Am Donnerstag den 02.07.2015 ging es dann endlich mit Frau und Rad im Gepäck 900 Kilometer gen französische Alpen.

Kurz vor der Abfahrt erreichte mich via Email noch eine „traurige“ Nachricht. Mutter Natur hatte zugeschlagen und einfach mal beschlossen, der Passhöhe des Galibier eine Saison Ruhe vor den Radsportlern zu gönnen. Ein baufälliger Tunnel auf der Hochgebirgsstraße wurde gesperrt und somit war die Passquerung ad acta gelegt. Der Telegraph und Galibier wurden gestrichen, dafür zauberte man den Col du Mollard und den Col de la Croix de Fer aus dem Hut. Fortan war die Veranstaltung zwar um einen Tour-Mythos ärmer aber dafür um 4 zusätzliche Streckenkilometer und 200 Höhenmeter reicher.

Freitag den 03.07.2015 erreichten wir nachmittags das berühmte Ski- und Radörtchen Alpe d’Huez. Die Auffahrt mit dem Auto zu der fast 1900 Meter hoch gelegenen Hotel- und Bettenburg ließ mich schon mal erahnen, was mich am Folgetag erwarten sollte. Auch die marsianischen Temperaturen hauchten schon mal ein leises „Hallo“. 35 Grad Tageshöchsttemperatur ließen sich sehen. Die Startunterlagen zum Rennen galt es im potthäßlichen Plattenbau „Palais du Sport“ entgegenzunehmen. Am Abend dann noch schnell in Grenoble beim französisch-arabischen Italiener was Kohlenhydrate bunkern und anschließend direkt ab in die Kiste pennen gehen.

Start am 04.07.2015

Aber kommen wir nun mal zum eigentlichen Rennen. Als Startplatz hatte man das Talörtchen Bourg d’Oisans auserkoren, welches sich schön am Fuße der Auffahrt nach Alpe d’Huez an die rundum hohen Berge schmiegt. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl fand der Start in drei Blöcken statt. Um 7:10, 7:30 und 7:50 Uhr wurden jeweils 2500 wahnsinnige Pedalritter auf die französische Umgebung losgelassen. Gemäß „die letzten werden die ersten sein“ war ich dem dritten Startblock zugeteilt worden. Da unser Hotel in Grenoble 60 km vom Startort entfernt lag, machten wir uns bereits um 5:30 Uhr auf den Weg. Nichts geht über langes Ausschlafen im UrlaubJ Das war jedoch offensichtlich trotzdem zu spät. 10 km vor Bourg d’Oisans machte mich ein eifriger Polizeibeamter darauf aufmerksam, dass die komplette Talstraße für den Autoverkehr bereits gesperrt sei. Die Aussage wurde noch einmal durch einen quer auf der Straße stehenden Streifenwagen sichtbar untermauert. Lamentieren brachte nichts, also raus aus dem Auto, ab auf’s Fahrrad, Küßchen an die Frau und 10 km einradeln bis zum Start.

Auf dem Weg dorthin kam mir eine Horde wildgewordener Irrer entgegen, die wie ein Schwarm Heuschrecken über die gesamte Straßenbreite mit ihren Rädern das Tal entlang kachelten. Der erste Startblock war also offensichtlich schon „On Tour“! Da hieß es nur ab an den Straßenrand, Bauch und Beine einziehen und abwarten bis das Schlimmste vorbei war.

Um 7:50 Uhr war es dann endlich auch für mich soweit. Der Startschuß für den dritten Startblock erfolgte. Einmal von der Leine gelassen gab es keinen Halt mehr. Ich tat es den vorangegangenen Startern gleich und trat in die Pedale was das Zeug hielt. Die ersten 10 km waren ja praktisch ein Deja Vu für mich.

Col du Gladon  (1924 Meter)

Wieder an meinem eigentlichen Startort angekommen bog der Tross nun aber von der Hauptstraße nach rechts in Richtung COL DU GLANDON ab. Nicht nur das Tal, sondern auch die zu befahrenden Pässe hatten die Veranstalter offensichtlich für den kompletten restlichen Verkehr dicht gemacht. Wir hatten die asphaltierten Himmelsleitern also nur für uns alleine. Wie GeilJ

Kurz hinter der Abbiegung von der Hauptstraße in Richtung Pass begrüßte uns vor dem Örtchen  Allemont ein Schild mit dem Hinweis „27 km bis zur Passhöhe“. Mit dem Wissen, dass nun 1550 Höhenmeter auf einen warteten, hatte die Motivation spätestens ab hier Bodenniveau. Die „kühlen“ 28 Grad am frühen Morgen ließen schlimmes erahnen und dienten daher auch nicht gerade als Stimmungsaufheller. Aber man hat sich ja nun mal freiwillig für den Irrsinn gemeldet. Die ersten 4 Kilometer nach und durch Allemont stiegen noch recht moderat an. Erst nach dem Ort begann die eigentliche Klettertour. Über 20 km fast ausschließlich Bergauf! Die zwei vermeintlichen Verschnaufer in Form von kurzen Abfahrten sind dabei fast nicht erwähnenswert. Beiden folgten auf dem Fuß harte steile Rampen auf die man praktisch zufuhr und somit ständig im Blick hatte. Bei den Abfahrten wurde daher voll durchgetreten, um Schwung für die Rampen zu haben. In Steigungszahlen kann man den GLANDON wie folgt zusammenfassen: 7-10% die man fast durchgehend bis zur Passhöhe zu bewältigen hatte. Nach den kurzen Abfahrten wurden einem dann noch mal als Sahnehäubchen 1-2 km lange Abschnitte mit Steigungen im Bereich von über 10 bis 15% serviert. Nichts desto trotz erreichte ich die Passhöhe recht flott und mit moderatem Kraftaufwand. Stahlblauer Himmel, zwei wunderschöne Stauseen die man auf dem Weg nach oben passierte und eine traumhafte Gebirgslandschaft drumherum ließen das Rennen bis dato noch in einem angenehmen Licht erscheinen.

Oben auf der Passhöhe, wo die erste Verpflegungsstation auf die Teilnehmer wartete, war die Hölle los. Hunderte Radler stürmten invasionsgleich die Stände der schon fast verängstigt dreinschauenden Servicekräfte. Wasser auftanken, die Rückentaschen mit Powerbar-Produkten vollstopfen, das obligatorische Foto am Passschild und weiter. Das alles am besten in 10 Sekunden. Da kann man sich einigermaßen ausmalen, wie es da zuging. Dank Reflexen wie Bruce Lee schaffte ich es ohne blaues Auge und Rippenprellung da durch zu kommen und mich nach dem Passschild-Posing wieder auf den Weg nach unten zu machen. Um Kamikaze-Fahrern und Lebensmüden direkt sprichwörtlich die Luft aus den Reifen zu lassen, wies ein Schild und eine, man höre und staune für Frankreich absolut untypische MEHRSPRACHIGE Bandansage darauf hin, dass bei der Abfahrt die Zeit eingefroren wird. Es war also theoretisch absolut egal, ob man da 100 oder 10 km/h auf dem Tacho hatte.

Da der Asphalt trocken und sauber war und Helfer mit gelben Flaggen auf alle noch so erdenklichen Gefahrenstellen rechtzeitig hinwiesen, waren 70-75 km/h zumindest in der zweiten Hälfte der Abfahrt für mich vertretbar.

Montvernier-Serpentinenstraße

Nach der Abfahrt vom GLANDON zeigte das Thermometer im Talort La Chambre bereits 33 Grad an. Von jetzt an hieß es schwitzen was das Zeug hielt und Wasser saufen bis der Arzt kommt. Auf dem gedanklichen Plan hatte ich als nächstes Highlight die Auffahrt zum Col du Mollard stehen. Bis dahin wähnte ich mich auf ebenem Terrain. Ich hätte mir vorab Gedanken machen sollen wie man beim Tausch eines 2600 Meter Passes (Galibier) mit einem 2100 Meter Pass (Croix de Fer) trotzdem auf mehr Höhenmeter als vorher kommt. Eine Antwort türmte sich wenige Kilometer südlich von La Chambre vor mir auf. Die Montvernier-Serpentinenstraße ist ein Teil des winzig kleinen aber asphaltierten Col de Chaussy. Knapp 400 Höhenmeter hören sich im ersten Moment nach nicht viel an. Aber dies auf gerade mal 4 Kilometern Strecke mit 18 Kehren ist schon beeindruckend. Vor mir baute sich eine hohe Felswand auf und bei genauerem Hinschauen stellte sich der bunte ZickZack-Streifen im Berg als Radfahrer heraus. Da das Sträßlein da rauf nicht breiter als eine „FIAT 500“ war, konnte man mehr als 2 Räder nebeneinander schon als heikle Situation ansehen. Die 4 Kilometer waren also eine enge und zudem heiße Kiste.

Im Bergdörfchen Montvernier selbst konnte ich noch einmal Wasser auftanken. Hier war zu erkennen, dass die Veranstalter den höllischen Wettervorhersagen für den Renntag Tribut zollen mussten. Neben den ursprünglichen Verpflegungsstellen wurden mittels aufgeklemmter und mit Wasserhähnen versehener Feuerwehrhydranten zusätzliche Wasserstellen eingerichtet.

Ab Montvenier kann man kurz und knapp auch sagen, dass wir Fahrer es eigentlich der Hilfsbereitschaft der an der Strecke lebenden Anwohner zu verdanken hatten, dass überhaupt einer von uns das Rennen zu Ende fahren konnte. Die Temperaturen knackten gen Mittag bei Villargondra bereits die 35/36 Grad Grenze. Jeder dritte Hobbygärtner an der Strecke, der irgendwie einen Gartenschlauch entbehren konnte, stand an der Straße und spritzte einen nach vorheriger Zeichenabsprache damit nass!!! Viiiiiiiilen Dank oder besser Meeeeeerci dafür!!!!!!

Col du Mollard  (1638 Meter)

Col du Mollard??? Vor dem Rennen noch nie von gehört! Aber 18,5 Kilometer Anstieg und knapp 1100 Höhenmeter ließen mich im Vorfeld dann doch mal dazu verleiten, einen Blick auf die Karte zu werfen wo das Ding überhaupt ist. Der Mollard ist eigentlich nur eine Nebenstrecke des bekannten Col de la Croix de Fer. Die kurvige Strecke verbindet schlicht mehreren abgelegene Berg- und Skidörfern mit dem Tal. Mehr nicht!

Wie dem auch sei, den Hund sollte man nicht unterschätzen. Die ersten 10 Kilometer schlängelte sich der Pass über viele Serpentinen bei 7-8% Steigung den Berg hinauf. Zu schauen gab es nichts, da man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sah, der sich entlang der Strecke zog. Aber das kamen mir und sichtbar auch allen anderen Fahren sowas von gelegen, bot sich doch nach langer Zeit endlich mal wieder die Möglichkeit bei der Schweinehitze im Schatten zu fahren.

Nach mittlerweile über 100 gefahrenen Kilometern machten sich am Mollard meine Beine erstmals bemerkbar. Und zwar kündigten sie leise einen Streik sprich Hungerast an, sofern nicht bald was zu Mampfen nachgeschoben werden sollte. Da die Rückentaschen geplündert waren und bis zur Passhöhe inklusive Verpflegungsstation es noch 10 Kilometer bergauf waren, rutschte ich langsam etwas nervös auf dem Sattel hin und her. Meine persönliche Tankanzeige war dick im Reservebereich als ich schließlich die Ortschaft Albiez-Montrond kurz unterhalb der Passhöhe erreichte.

Was sich dort meinem geschundenen Körper eröffnete glich einer Fata Morgana. Halleluja!!! Ein solch opulentes Buffet hatte ich an einer „Verpflegungsstation“ nicht erwartet. Früchte, Mars, Snickers, Käse, Wurst, Sandwichs mit Belag nach Wunsch, Powerbar-Riegel & Gels aller Art dazu Getränke in allen Variationen ließen keine Wünsche offen. Ich gönnte mir eine 15-minütige Pause und schob alles in mich rein, was der Magen noch zuließ bzw. sogar ein wenig darüber hinaus. Als Hängebauchschwein kehrte ich zu meinem blauen Rennhobel zurück, wuchtete meine bis zum Platzen gefüllte Wampe auf’s Rad und fuhr die letzten steilen Meter zum Col du Mollard hinauf.

Col de la Crois de Fer  (2067 Meter)

“Pass des eisernen Kreuzes“ hieß das nächste Biest was auf der Liste bzw. im Weg stand. Die Reiseführer weisen ihn landschaftlich als einen der schönsten Pässe der französischen Alpen aus und preisen das schöne, namensgebende Eisenkreuz auf dem Bergsattel als sehenswert an. Mir war es ehrlich gesagt ziemlich egal, wie hier die Landschaft war und was für ein rostendes Gerippe da oben an der Passhöhe stand. Nach einer kurzen Abfahrt vom Mollard, welcher in den Croix de Fer mündet, sah ich auf Hinweisschildern am Wegesrand nur, dass es bei brütenden Temperaturen 15 Kilometer und knapp 1000 Höhenmeter bis zum Scheitelpunkt dieses ach so tollen Bergsträßchen sein sollte. Und nicht nur das: man sah diese verdammte Passhöhe bereits aus 10 km Entfernung. Ich fuhr oder besser quälte mich mittlerweile dank Sahara-Wetter und Ebbe in den körpereigenen Kohlehydratespeichern Meter für Meter die Serpentinenstraße hinauf und konnte praktisch jederzeit sehen wie weit ich die eindrucksvolle Felswand bereits erklommen hatte oder wie weit noch nicht. Letzteres war eher der Fall.

Die Auffahrtgeschwindigkeit näherte sich mittlerweile Spaziergängerniveau, aber zumindest blieb ich im Sattel und auch mein opulentes Col-du-Mollard-Menü blieb da wo es hingehörte: im Magen! Die ein oder anderen Teilnehmer hatten es da nicht so gut. Sie garnierten den Streckenrand mit kleinen duftenden Pfützen und angedauten Baguettes. Leider durfte ich im Vorbeifahren auch mindestens einmal Zeuge eines solchen Rückwärtsessens sein. Ein Privileg auf welches ich gerne verzichtet hätte.

Kurz und Knapp waren die schweineheißen und durchweg über 8% steilen 15 Kilometer hinauf zum Croix de Fer für mich gefühlt der härteste Abschnitt des Rennens. Das Wort „Aufgabe“ fehlt zwar in meinem Wortschatz, aber in den 1 ½  bis 2 Stunden da rauf kam mir hin und wieder schon mal der Gedanke, dass ich irgendwie nicht alle Tassen im Schrank habe sowas freiwillig zu machen.

Nach der Sinnkrise folgte aber auch schon auf dem Fuss die Passhöhe. Das kleine Eisenkreuz auf dem Hügelchen neben der Straße hatte ich fast übersehen, so fokussiert waren meine Augen auf die Getränkeausgabestelle. Wasser, Wasser!!!

Nach dem Pass-Foto, gefühlt 10 Litern zu trinken und der Gewissheit, dass es jetzt erst einmal wieder 30 km bergab ging, kam das Lächeln zurück in mein Gesicht und endlich auch wieder die Kraft in meinen Beinen.

Die Abfahrt vom Crois de Fer über den Col du Glandon, in welchen erstgenannter knapp unter der Passhöhe mündet, war die reinste Wonne. Mit neuer Kraft in den Beinen und kühlendem Fahrtwind waren Abfahrtgeschwindigkeiten von bis zu 85 km/h drin.  Ziel des Geschwindigkeitsrausches war die letzte Prüfung des Tages, die Auffahrt zum weltberühmten Alpe d’Huez!!!

Alpe d’Huez  (1860 Meter)

Der Name alleine läßt Pedalsport-Fan-Herzen höher schlagen! Radsport-Mythos, König der  Bergankünfte, Tour-de-France-Entscheider…….Die 13,5 Kilometer lange mit 21 Kehren versehene Rampe hinauf zum Wintersportort Alpe d’Huez hat viele Bezeichnungen. Treffender wäre am heutigen Renntag „asphaltierter Backofen“ oder „steile Schwitzpiste“ gewesen. Mögen noch so viele Radler sagen, dass die Strecke überbewertet wird und es  zahlreiche steilere und schwierigere Radstrecken in den Alpen gibt. 1150 Höhenmeter und Steigungen von durchschnittlich 10-11% sind auch so schon ne verdammt große Nummer. Besonders wenn man vom Tal auf das steile Bergmassiv zufährt und die von eifrigen Franzosen im ZickZack in die Felswand gefräste Auffahrt schon wieder mal vom weiten bewundern darf.

Was mein Radsportlerherz anging waren keine Enthusiasmus bedingten zusätzlichen Schläge mehr möglich. Die Pumpe arbeitete wenige hundert Meter nach Beginn des Anstieges bereits am Limit. Ich sollte erwähnen, dass kurz vor dem Einstieg in den Serpentinen-Spaß ein Thermostat knuffige 39 Grad Celsius anzeigte. Gerüchten zufolge soll die 40 im Laufe meines Anstieges auch noch geknackt worden sein! Willkommen in der Hölle sag ich da nur! Bei bestem Bade- und Nichts-Tu-Wetter und 175 Kilometer + 4000 Höhenmetern bereits in den Knochen begab ich mich also auf diese Irrenveranstaltung und fuhr über die Zeitmessschranke am Fuß des Berges. Zuvor hatte ich noch meine Vorräte an einer wiedermal opulenten Verpflegungsstation aufgefüllt.

Schatten war ein Luxus den man uns beim Anstieg nicht gönnen wollte. Wir Fahrer durften also unserem Hobby unter stahlblauem Himmel und in praller Sonne frönen. Schatten und Kühle wär eh nur irritierend gewesen. Also weg damit!

Die Fahrt nach oben entwickelte sich daher fortan zur 10-Kleine-Negerlein-Veranstaltung. Viele nicht gerade unfit aussehende Radsportler kippten vor und neben mir einfach vom Rad. Kreislauf, Hitzeschlag oder einfach totale Erschöpfung…….die Gründe waren vielfältig. Die armen Kerle fielen zum Glück in helfende Arme. Am Rand stehende Zuschauer und pausierende Rennteilnehmer eilten sofort zur Rettung, sodass mir Erste-Hilfe-Maßnahmen erspart blieben.

Hämmernde Kopfschmerzen und beginnender Schwindel kündigten bei Kilometer 4 jedoch auch bei mir irgendwas an. Um den anbahnenden Sonnenstich noch von der Schippe zu springen, hechtete ich vom Rad und suchte mir eine passende Naturdusche in Form eines kleinen Wasserfalls am Wegesrand. Die gefühlt 2 Grad kalten, vertikalen Kneippkuren plätscherten alle paar hundert Meter die Felsen hinunter. Also Helm aus, rein mit der Rübe ins Nasse und das heiß gelaufene Gehirn ein paar Minuten kühlen. Da das Wasser irgendwie nicht am Hals halt machte, stieg ich anschließend pitschnass inklusive waterproofed SAMSUNG-Handy in der Rückentasche wieder auf’s Rad. 

Den Vorgang galt es bei Kilometer 9 noch einmal zu wiederholen, da bis dahin so ziemlich jede Flüssigkeit innerlich wie äußerlich wieder verdunstet zu sein schien. Die gesondert gemessene Auffahrtzeit nach Alpe d’Huez war natürlich damit im Eimer. Aber zumindest durfte ich weiter davon träumen, ohne Krankenwagen die Ziellinie zu erreichen.

Die letzten 3-4 Kilometer bis zum Ziel gestalteten sich angenehmer. Nicht weil sie etwas flacher waren als die unteren Kehren, sondern in erster Linie, weil die häßlichen Hotelklötze, hinter denen sich irgendwo das Ziel befand, immer näher kamen. Zudem war bei mir mittlerweile jede Art von Eitelkeit verflogen oder besser verdunstet. Das salzverkrustete Trikot komplett geöffnet und im Wind flatternd, die Suppe über die kalkweiße Brust und den Bauch so herabtriefend, sah ich mittlerweile aus wie ein radelnder Heckenpenner………Egal es war angenehm luftigJ

Auf dem letzten Kilometer durch Alpe d’Huez fühlte ich mich auf einmal wie Pantani auf EPO. Anfeuernde und klatschende Radsportfans zu beiden Seiten trieben mich noch einmal zu Voll-Power-Durchtreten. Die 5-7% Steigung im Ort meisterte ich plötzlich mit knapp 30 km/h, überholte noch ein paar „Marsianer“ vor mir und überfuhr mit Becker-Faust und urdeutschem Brunftschrei gegen 17:50 Uhr die Ziellinie vor dem Palais du Sport.

La Marmotte 2015 war Geschichte!!!!!! 190 Kilometer und 5200 Höhenmeter bei (fast) 40 Grad. Einfach die Hölle, Einfach GEIL!!!!!!!!! Meine offizielle Siegerzeit betrug 9:49 Stunden. Damit hatte ich mir eine Silbermedaille für unter 10 Stunden Fahrtzeit verdient. Die 8-Stunden-Grenze für eine Gold-Medaille war für einen Flachlandtiroler bei dem Wetter dann doch eher utopisch. Ach und wen’s interessiert: Die Auffahrt nach Alpe d’Huez inklusive Badepausen betrug 1:28 Stunden. Ausbaufähig!

Gefühlt zwei Meter größer als vorher und total aufgedreht vom siegreichen Alpenausflug entschloss ich mich, das Rennen nun zu einem waschechten Radmarathon auszubauen, sprich die 200km-Marke noch zu knacken. Bis zum Hotel waren es nur 60-70 km ebene bis leicht abschüssige Strecke. Mit Medaille um den Hals und kleingefaltener Urkunde im Portemonnaie fuhr ich also mit glühenden Bremsen die 13,5 km von Alpe d’Huez nach Bourg d’Oisans wieder hinunter und dann das Tal entlang bis Grenoble. Die ursprünglich als Anschlussprogramm noch geplante Überquerung des Col de Luitel mit seinen 10 km und 1000 Höhenmetern musste ich hitze- und zeitbedingt dann leider ausfallen lassen.L

Nach 260 Kilometern und 5320 Höhenmetern in einer Gesamtfahrzeit von 11:58 Stunden erreichte ich schließlich unser Hotel und fiel meiner holden Gattin wortwörtlich in die Arme.

Abschließend kann man den LA MARMOTTE sowohl landschaftlich, sportlich als auch organisatorisch nur als ein absolut geiles Top-Event bezeichnen!!!!! Hier stimmt (bis auf das Wetter im Jahr 2015) einfach ALLES!!! Wenn es sich einrichten läßt, bin ich gerne 2016 wieder am Start, diesmal mit dem Col du Galibier.

Mont Ventoux  (1911 Meter)

Den Strapazen in den Alpen folgten ein paar Tage Erholung in der Provence. Und was soll ich sagen, da stand er einfach so rum und rief mir jeden Tag zu: Fahr mich hoch!!! Fahr mich hoch!!!

Gemeint ist der Tour-Gigant Mont Ventoux. 1911 Meter hoch, vom Fuß bis zur Spitze 21 Kilometer und über 1600 Höhenmeter! Genau das richtige Dessert für mich. Um es nach der ganzen Schreiberei schnell zu machen: 4 Tage nach dem Rennen fuhr ich über Bedoin die südliche Rampe hinauf! Die fast angenehmen 33 Grad und ein feudales Baguette-Frühstück in einem Hinterhof-Supermarkt trieben mich in 1:42 Stunden hinauf auf den zweiten Radsport-MythosJJJ

Vive la France!!! Wir sehen uns nächstes Jahr wieder!!!

Bleib dran,

Dirk Gütte

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